Soziale Argumente bei der Expansion der Sekundarstufe II in den Kantonen Thurgau und Basel-Stadt von 1960 bis 1980.
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Gegenstand des Dissertationsprojekts und theoretische Verankerung
Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte die westliche Welt einen Wirtschaftsboom, der eine Verschiebung der Wirtschaftsstruktur und eine erhöhte Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften zur Folge hatte. In der Schweiz reagierte das Bildungssystem darauf mit einer Expansion der Sekundarstufe II (SEK II) (Gymnasien, duale Lehre, Berufsausbildung in Vollzeitschulen, Pädagogische Seminare und Fachmittelschulen, usw.). Diese Expansion wurde ab den 1960er Jahren neben wirtschaftlichen Argumentationslinien zunehmend auch sozialpolitisch diskutiert («Chancengleichheit». «Demokratisierung der Bildung») (Hess et al., 1966; Lamprecht & Stamm, 1996).
Mein Forschungsvorhaben baut auf bestehenden Arbeiten zur Geschichte der Schweizer Allgemein- und Berufsbildung der SEK II auf (Bauder & Osterwalder, 2008; Berner & Bonoli, 2019; Bonoli & Eigenmann, 2021; Criblez, 2001, 2002, 2008; Gonon, 2010). Die Expansion wird oft als Mittel zur wirtschaftlichen Nachwuchsförderung und zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit erklärt. Eine Analyse des Ausbaus der SEK II zwischen 1960 und 1980 mit dem Fokus auf sozialpolitische Argumente fehlt jedoch bisher. Ziel dieser Arbeit ist es, zunächst die Entwicklung bzw. den Ausbau der Berufs- und Allgemeinbildung in den beiden Kantonen zu rekonstruieren, um daran anschliessend zu fragen, welche sozialpolitischen Argumente von welchen Akteuren verwendet wurden und welche Personengruppen von den erweiterten Bildungsangeboten profitieren sollten. Dies ist wichtig, um Begründungsmuster zu differenzieren und eine mögliche Zirkulation von Argumenten aufzuzeigen, was auch zum heutigen Verständnis von Begriffen wie «Chancengleichheit» beitragen kann.
Im Zentrum der Untersuchung steht die Frage, welche Akteure (EDK, Verband Gymnasiallehrer, Gewerbeverbände, Expertenkommissionen, Interessensverbände) die kantonale Bildungspolitik beeinflussten und mit welchen Argumenten sie ihre Positionen legitimierten. Da die Berufsbildung auf Entwicklungen in der gymnasialen Bildung reagierte, erfordert die Untersuchung eine Kombination beider Perspektiven, um die Interaktionen herauszuarbeiten.
Untersucht werden die Kantone Thurgau und Basel-Stadt, die sich in zentralen Merkmalen. unterscheiden (wirtschaftliche Entwicklung, politische Struktur, Bildungsangebot auf der Tertiärstufe, etc). Hinsichtlich der Bildungsabschlüsse (Matur, Lehrabschluss) zeigen sich unterschiedliche Entwicklungen. Beide Kantone bauten jedoch im Untersuchungszeitraum ihre gymnasiale Bildung aus, was spannende Vergleiche und Analysen ermöglicht. Diese beiden Kantone sind ausserdem noch wenig erforscht (Bonoli & Vorpe, 2022; Gonon & Freidorfer-Kabashi, 2022).
Das Promotionsvorhaben ist Teil des SNF-Projekts «Soziale Argumente der Expansion der Sekundarstufe II in der Schweiz 1960 bis 1980. Debatten, Entscheidungen, Auswirkungen und Spezifitäten auf kantonaler Ebene (EvoSEC)». Das Projekt untersucht fünf Kantone: Basel-Stadt, Freiburg, Tessin, Thurgau und Waadt. Die Arbeit im Projektteam ermöglicht eine Ressourcenteilung sowie eine breitere Auseinandersetzung mit den Ergebnissen.