Das vom Schweizerischen Nationalfonds SNF (Doc.CH) geförderte Dissertationsprojekt fragt anhand des äusserst dicht dokumentierten Fallbeispiels Solothurn nach der Verflechtung zwischen weiblichen Ordensgemeinschaften und katholischer Stadtgesellschaft im 17. und 18. Jahrhundert. Ausgehend von der Hypothese, dass Frauenklöster über verschiedenartige «Ökonomien geheiligten Lebens» mit der Stadtgesellschaft verbunden waren, untersucht das Projekt drei Dimensionen von Verflechtung.
Ein erster Forschungsschwerpunkt liegt dabei auf der symbolisch-religiösen Bedeutung der Frauenkonvente für die Stadtgemeinschaft. So untersucht das Projekt einerseits, welche «spirituelle Arbeiten» Nonnen in der Frühen Neuzeit verrichteten und wie sie dabei als Vermittlerinnen zwischen den Gläubigen, der Konfessionskirche und dem Heiligen agierten. Andererseits fragt das Projekt danach, ob politische Instanzen die religiösen Frauen als «spirituelle Ressourcen» wahrnahmen und Interesse an deren Tätigkeiten zeigten.
Ein zweiter Fokus des Projekts liegt auf Kontaktzonen zwischen den drei Frauenkonventen und politisch-sozialen Eliten sowohl in Solothurn als auch in anderen katholischen Orten der Eidgenossenschaft. Dabei wird gefragt, wie frühneuzeitliche Frauenkonvente die Familienehre der lokalen Eliten bewahrten und sichtbar machten sowie als Orte der Eliten(re)produktion Bildungs- und Vernetzungsmöglichkeiten für Frauen schufen. Denn indem der Blick auf das familiäre, lands«frau»schaftliche und freundschaftliche Netzwerk der Nonnen gerichtet wird, werden Frauenklöster nicht nur als Orte der Frömmigkeit, sondern auch als Räume der Sozialisierung und Bildung fassbar.
Ein dritter Schwerpunkt liegt auf wirtschaftlichen Formen des Austausches zwischen Frauenklöstern, der Stadtgesellschaft und anderen kirchlichen Akteurinnen und Akteuren. Dabei steht die Bedeutung von Konventen als Orte der Güterproduktion, ihre Funktion als Handels- und Verkaufsplattform sowie ihre Position als Arbeitgeberinnen im Zentrum der Aufmerksamkeit.
Das Projekt basiert methodisch auf der Sozial- und Kulturgeschichte des Religiösen und der Geschlechtergeschichte. In Kombination mit Ansätzen der historischen Raumforschung, der material culture und der (städtischen) Verflechtungsgeschichte wird es dieser Zugriff erlauben, den Platz klösterlicher Frauengemeinschaften in katholischen Stadtgesellschaften neu zu denken. Damit kann nicht nur eine in der eidgenössischen Geschichtsforschung bislang stark vernachlässigte Personengruppe sichtbar gemacht werden, sondern es können auch Forschungsfragen zusammengeführt werden, die für das südliche Europa unabhängig voneinander vereinzelt bereits untersucht wurden. So kann das Promotionsprojekt einen Beitrag zur internationalen Religions-, Geschlechter- und Stadtforschung der Frühen Neuzeit leisten.
SNF Doc.CH Projekt: https://data.snf.ch/grants/grant/218904
Das Gesamtprojekt "Early Childhood and Dynastic Reproduction at Princely Courts, 1600-1800: European and Global Perspectives" nimmt das Problem der dynastischen Reproduktion im 17. und 18. Jahrhundert in den Blick. Es fragt nach Praktiken, welche darauf abzielten, gesunden und zahlreichen dynastischen Nachwuchs hervorzubringen und in den ersten Lebensjahren zu erhalten, und es untersucht Reflexionen zeitgenössischer Beobachter über diese Praktiken. Drei verschiedene Perspektiven werden dabei eingenommen. Erstens geht das Projekt der Frage nach, wie europäische Herrscherhäuser, die aufgrund des Prinzips der monogamen Ehe besonders mit dem Problem mangelnden Nachwuchses kämpften, die Sorge um ihre jungen Kinder organisierten. Zweitens fragt es, wie europäische Autoren von Reiseberichten vor dem Hintergrund der beginnenden Globalisierung Muster dynastischer Reproduktion auf dem eurasischen Kontinent beschrieben und verglichen. Im Rahmen eines kollaborativen Buchprojekts werden drittens im Dialog mit verschiedenen area studies vergleichende Perspektiven zu dynastischen Kindheiten in globaler Perspektive ausgelotet.
Vom Erfolg dynastischer Reproduktion hing in der Frühen Neuzeit die Stabilität des politischen Systems ab. Mithilfe eines breiten methodischen Instrumentariums, welches eine Sozial- und Kulturgeschichte frühneuzeitlicher Fürstenhöfe und eine Wissensgeschichte im Kontext der beginnenden Globalisierung einschliesst, trägt das Gesamtprojekt zu einem besseren Verständnis dynastischer Herrschaft bei und leistet darüber hinaus einen Beitrag zur Geschichte der Kindheit in der vormodernen Welt.
Im Mittelpunkt des Dissertationsprojektes stehen Reiseberichte aus eurasischen Ländern. Denn dynastische Reproduktion war nicht nur ein zentrales Anliegen jeder Herrscherfamilie, sondern auch Gegenstand öffentlicher Beobachtung. In der Frühen Neuzeit wurde der gelehrten Öffentlichkeit zudem die Variabilität dynastischer Reproduktionsmuster auf globaler Ebene durch die wachsende Reiseliteratur bewusst, u.a. durch Berichte über fremde Länder in Eurasien, in denen Beschreibungen politischer Systeme eine wichtige Rolle spielten.
Das Projekt analysiert die Beschreibungen europäischer Autoren über die Praktiken der dynastischen Reproduktion an den Höfen Chinas, des russischen Zarenreichs und des Osmanischen Reichs von ca. 1580 bis 1700. Das Projekt verbindet somit Studien über ein fernes Reich, das in Europa für seine außergewöhnliche Höflichkeit gerühmt wurde (China), über ein benachbartes Reich, das aufgrund religiöser Differenzen und einer langen Geschichte militärischer Konflikte mit Misstrauen beobachtet wurde (Osmanisches Reich), und über ein Reich, dessen ambivalenter Status als gleichzeitig asiatisches und europäisches Gemeinwesen bei europäischen Beobachtern Verwirrung auslöste (Russland).