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Eltern-Los: Das entfernte Kind - Die Missionskinder der Basler Mission.

Research Project
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01.10.2011
 - 30.03.2013

Bei den meisten protestantischen Missionsgesellschaften des 19. Jahrhunderts war es gängige Praxis, dass die Missionsehepaare ihre Kinder im Alter von etwa sechs Jahren, manchmal auch früher, nach Europa zu senden hatten. So auch im Falle der Basler Mission, einer der grössten pietistisch geprägten Missionsgesellschaften des 19. Jahrhunderts. Aufgrund der Kinderverordnung von 1853 mussten Kinder im schulpflichtigen Alter aus den damaligen Missionsgebieten Afrika, China und Indien zur weiteren Ausbildung nach Europa gesandt werden. Sie wuchsen im Kinderhaus der Basler Mission, in Bildungsanstalten in Süddeutschland oder bei Verwandten auf. Eltern und Kinder lebten getrennt und entfernt voneinander auf unterschiedlichen Kontinenten und in differenten Kulturen, kommunizierten nur brieflich. Häufig sahen sie sich jahrzehnte- oder lebenslang nicht wieder. Auch die neu hinzugekommenen Geschwister in den Missionsgebieten blieben für die so genannten Missionskinder in Europa Fremde. Die Thematik der Missionskinder stellt als historisches Phänomen eine Sonderform dar, dennoch weist sie Bezüge zu anderen historischen wie aktuellen Erscheinungen auf. Das Leben in zwei oder mehr Kulturen und die daraus resultierende Problematik ist beispielsweise ein Forschungsfeld heutiger Migrations- und Diasporaforschung. Unter diesen Aspekten kann auch das Missionskinderthema betrachtet werden, da die ideelle Missionsfamilie bereits im 19. Jahrhundert ein globales Netzwerk bildete. Innerhalb dieses Wegeraumes wurden nicht nur geistige (geistliche) und materielle Güter, sondern eben auch Kinder transportiert: Eine unserer Hypothesen ist, dass der 'Kindertransport' eines der stabilisierenden Momente innerhalb dieses Netzwerkes bildete. Die Fürsorge für die Kinder war nur durch den internen Zusammenhalt möglich und diente zugleich dazu diesen zu festigen. Das bisher kaum erforschte Phänomen der Missionskinder der Basler Mission wird aus kulturwissenschaftlicher Sicht unter verschiedenen Aspekten untersucht. Aus der Perspektive aller beteiligten Personen sollen die kommunikativen, ökonomischen, religiösen und kulturellen Verflechtungen des Phänomens der Missionskinder deutend analysiert und interpretiert werden. Schwerpunktthematisch handelt es sich um Kindheit im Kontext Mission des 19. Jahrhunderts als Teil Württemberger und Schweizer Alltagsgeschichte, deshalb sind auch die missionierten und christianisierten Familien nicht Thema. Allerdings ist die Interaktion zwischen den europäischen und indigenen Kindern und Erwachsenen relevant, auch im Hinblick auf eine transkulturelle Prägung der europäischen Missionskinder. Auf gutachterliches Anraten hin wurde das Vorhaben einer Längsschnittstudie aufgegeben, der Bereich Oral History wurde abgespalten. Auch durch neu hinzugekommene Quellen erweist sich die Konzentration auf das historische Quellenmaterial als sinnvoll. Der Untersuchungszeitraum reicht nun von der Mitte des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Der methodische Zugang ist die Auswertung historischer Dokumente aus Archiven und Privatnachlässen. Der Untersuchung soll Mission und Glauben als Rahmen und Kontext dienen, innerhalb dessen aber die handelnden Personen als Subjekte im Fokus des Interesses stehen, deren Lebenswirklichkeit und Lebensdeutung mittels der Methode der 'Dichten Beschreibung' (Geertz 1983) untersucht werden. Im Zentrum des Interesses steht das Spannungsverhältnis von Fremdheit und Migration und die daraus resultierenden Brüche im Leben und die Erfahrung von Liminalität. Das Forschungsprojekt ordnet sich in neuere Forschungen ein, die nicht mehr von Kulturen als in sich abgeschlossene Einheiten ausgehen. Das Konzept der Transkulturalität begreift Kulturen als nicht mehr homogene, separierte und deutlich voneinander abgrenzbare Entitäten, sondern betont die gegenseitigen Verknüpfungen und Verbindungen, welche besonders von Menschen hergestellt werden, die sich auf verschiedenste Art und Weise zwischen den verschiedenen Räumen und Gesellschaften bewegen. (Basch; Glick Schiller; Szanton Blanc 1997; Welz 2004). Die Missionskinder weisen durch ihr Aufwachsen an sehr weit auseinander liegenden Orten und in sehr unterschiedlichen kulturellen Kontexten - vergleichbar mit heutigen sogenannten 'Third Culture Kids' - individuelle transkulturelle Prägungen auf.

Collaborations & Cooperations

2013 - Participation or Organization of Collaborations on a national level
Jenkins, Paul, Mission 21, Research cooperation
2013 - Participation or Organization of Collaborations on a national level
Thomas, Guy, Dr., Archivar, Mission 21, Research cooperation
2013 - Participation or Organization of Collaborations on an international level
Seton, Rosemary, School of Oriental and African Studies, University of London, Research cooperation
2013 - Participation or Organization of Collaborations on an international level
Shetty, Parinitha, Mangalore University, Research cooperation
2013 - Participation or Organization of Collaborations on an international level
Strickrodt, Silke, German Historical Institute, London, Research cooperation

Publications

Konrad, Dagmar (2015) ‘‘Wer Sohn oder Tochter mehr liebt’ Missionskinder’, Radio Bern. Switzerland (Radio Bern). Available at: https://doi.org/radio bern.

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Konrad, Dagmar (2015) ‘Schweizer Missionskinder des 19. Jahrhunderts’, in Studer, Brigitte; Arni, Caroline; Leimgruber, Walter; Mathieu, Jon; Tissot, Laurent (ed.) Die Schweiz anderswo. AuslandschweizerInnen - SchweizerInnen im Ausland. Zürich: Chronos (Schweizerisches Jahrbuch für Wirtschafts- und Sozialgeschichte), pp. 163–186.

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Konrad, Dagmar (2012) ‘Missionskinder’, Radio SRF 2. Switzerland (Radio SRF 2).


Members (2)

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Walter Leimgruber

Principal Investigator
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Dagmar Konrad

Project Member