Freund*innenliebe. Beziehung, Geschlecht und (homosexuelle) Subjektivität 1870-1970
PhD Project
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01.12.2023
- 30.11.2027
«[Es] ist sicher, daß zwischen Liebe und Freundschaft, von denen jede für sich so viele feine Nüancen [sic!] und Schattierungen aufweist, die Grenze oft schwer gezogen werden kann.» [1] Magnus Hirschfeld (1868-1935), Berliner Sexualwissenschaftler In meinem Promotionsprojekt erforsche ich die Verbindung zwischen Freundschaft und homosexuellem Begehren im Zeitraum von 1870 bis 1970 in der Schweiz. Denn Freundschaft war schon seit der Antike auf vielfältige Weise ein Möglichkeitsraum für gleichgeschlechtliche Liebe und homosexuelles Begehren: Die Grenze zwischen der Homo sozialität der Freundschaft und der Homo sexualität in der Freundschaft erwies sich über die Jahrhunderte hinweg als durchlässig. Die ‹Erfindung› und Pathologisierung des modernen homosexuellen Subjekts um 1870 hingegen machte gerade dieses Kontinuum verfänglich; Individuen sahen sich infolgedessen gezwungen, sich in (sexualpathologisch) Liebende und (unverdächtige) Freund*innen zu scheiden. Allerdings deuten zahlreiche Quellen darauf hin, dass die Freundschaft im Kontext gleichgeschlechtlichen Begehrens auch nach 1870 omnipräsent blieb. Sie bestand parallel und in Abgrenzung zu homosexuellen Subkulturen oder wurde von selbsterklärten Homosexuellen affirmativ angeeignet. Hier setze ich an, indem ich die Freundschaft als Möglichkeitsraum homosexuellen Begehrens ca. zwischen 1870 und 1970 untersuche. Dabei möchte ich sowohl jene Akteur*innen, die sich selbst nicht als homosexuell bezeichneten, als auch selbsterklärte Homosexuelle jeweils beider Geschlechter in einen analytischen Zusammenhang bringen. Ziel ist es, die Geschichte gleichgeschlechtlicher Liebe in diesem Zeitraum nicht als Geschichte einer sexuellen Minderheit oder Identität zu erzählen, sondern aus der Perspektive einer Geschichte der Freundschaft als subjektivitätsstiftende Lebensform. Die Dissertation konzentriert sich auf sechs verschiedene Freund*innenpaare - bestehend aus drei Frauen- und drei Männerpaaren - mit Fokus auf die Schweiz. Die Quellen speisen sich dabei vor allem aus persönlichen Nachlässen, Briefen, Tagebüchern, Autobiografien und weiteren Ego-Dokumenten. Ich verfolge einen historisch-anthropologischen Ansatz und greife zur Analyse von Beziehung, Sexualität, Geschlecht, Individualität und Subjektivität auf geschlechter- und queertheoretische Grundlagen zurück. [1] Hirschfeld, Magnus: Die Homosexualität des Mannes und des Weibes, Berlin 1914, S. 184.