Religionsproduktive Bilddiskurse. Kontinuität und Innovation der Denkfigur des Gottes im neopaganen Hexentum
Research Project
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01.09.2020
- 31.08.2025
Das Projekt untersucht Kontinuitäten, Unterbrüche und Neubesetzungen im semantischen Feld und in der Bildimagination rund um die Denkfigur des männlichen Gottes im neopaganen Hexentum. Ausgehend von den Vernetzungen zwischen der Religionsforschung und esoterischen, religionsproduktiven Strömungen im ausgehenden 19. Jh. und zu Beginn des 20. Jh., welche den Hintergrund für die Gründung des Wicca als moderne Hexenreligion durch Gerald Gardner beginnend 1946 darstellen, sollen grundlegende Elemente des männlichen Gottes festgehalten werden. Anhand dieses Idealtypes können die weiteren Entwicklungen dieses Gottes nachgezeichnet und eingeordnet werden. Sowohl Kontinuität wie auch Innovation in der Figur bedienen sich der Legitimationsstrategie des Rückverweises und der Genealogie. Selbst die Ablehnung von Motiven oder Gedanken, welche Gardner festsetzte, werden in Verweis auf ihn diskutiert und abgelehnt. Neu gebildete Assoziationslinien werden genealogisch verankert und werden so Teil einer ständig dynamisch bleibenden Idee von Religionsgeschichte und Religion an sich. In einem ersten Teil wird dem genannten Verhältnis von Wissenschaft und Religion im Vorfeld der Gründung des Wicca nachgegangen. Diese Verstrickungen werden auch exemplarisch an ausgewählten Figuren in den Bruchstellen zwischen Esoterik, Druidentum und Wicca, Folkloreforschung, Altertumswissenschaften sowie Literatur und Religionsproduktion aufgezeigt. Trotz der heterogenen Gemengelage sind die Ideen und Motive, welche das breite Feld des 'Hexen-Gottes' ausmachen bereits lesbar. An drei emischen Texten zur paganen Gottesfigur, seiner Geschichte, Bedeutung und Verehrung sollen verschiedene Fragen untersucht werden: Die Frage nach einer direkten Kontinuität im Sinne der unveränderten Weiterführung von Motiven; die Frage nach der Kontinuität der darunterliegenden Rechtfertigung von Motiven; zuletzt muss auch nach der Assoziationslogik oder Rechtfertigung neuer Motive oder Interpretationen zum Gott gefragt werden. Dieser dritte Teil widmet sich den Texten "Masks of Misrule. The Horned God and his Cult in Europe" (1996) von Nigel Jackson, "Dionysos. Exciter to Frenzy" (2013) von der Priesterin und Autorin Vikki Bramshaw und aus dem Jahr 2021 "The Horned God oft he Witches" von Jason Mankey. Zur kohärenten Diskussion der Entwicklung einer Gottesfigur mit damit in Verbindung stehenden Objekten, Eigenschaften, Narrativen, Körperlichkeiten und Landschaften muss ein erweiterter Figurenbegriff mit Einbezug von Text und Bild als Instrument dienen. Dazu wird Auerbachs Begriff der Figura und Figuration hin zu Dispositiv und schliesslich Denkfigur weitergeführt. In diesem Sinne wird die Denkfigur als genauso relevant und anwendbar in der Bildwissenschaft wie in der Literaturwissenschaft postuliert.