Schmerz und Krankheit, Leiden und Sterben gehören als menschliche Grunderfahrungen zu den großen Themen der Literatur. Manche AutorInnen haben besondere poetische und rhetorischen Fähigkeiten entwickelt, körperliche und seelische Krisen zum Ausdruck zu bringen und 'fremdes' Leid so plastisch zu vergegenwärtigen, dass bei der Lektüre spürbare Reaktionen freigesetzt werden. Zu den etablierten literarischen Techniken gehört die Schilderungskunst des Vergegenwärtigens und 'Vor-Augen-Stellens', zu den kulturellen Leistungen im Umgang mit solchen Schilderungen wiederum gehört die Fähigkeit sowohl zur Einfühlung wie auch zur ästhetischen Distanznahme. Einige Ärzte betätigten sich selbst auch als Schriftsteller, etliche Autoren besaßen eine grundständige medizinische Ausbildung; so etwa Friedrich Schiller, Georg Büchner, Gottfried Benn oder Alfred Döblin. - Erst jüngeren Datums hingegen ist die Entwicklung, dass aus medizinischer Sicht auch die methodisch angeleitete Beschäftigung mit literarischen Formen und Techniken als eminent nützlich erachtet wird. Im medizinischen Curriculum wird zunehmend die Schulung kommunikativer Fähigkeiten (zuhören können, erzählen können, eine Patientengeschichte auch in ihrer Uneindeutigkeit verstehen können) als Desiderat gesehen, es entstehen neue, vielversprechende Formen der Kooperation zwischen den Life Sciences und den kulturwissenschaftlichen Disziplinen. Die Vorlesung beleuchtet das Verhältnis von Medizin und Literatur primär auf Basis literarischen Materials und mit ästhetisch-hermeneutischen Fragestellungen, greift aber fallweise auch die medizinische Perspektive auf. Gelesen werden erzählte Fallgeschichten, Krankheitsbeschreibungen, Selbsterfahrungsberichte wie auch essayistische und kulturtheoretische Arbeiten über die Wahrnehmung von Krankheit und Patienten-Dasein.