Dissertationsprojekt: Transformative Landwirtschaftsgemeinschaften als innovative Lebensformen?
Research Project
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01.04.2015
- 01.05.2020
Transformative Landwirtschaftsgemeinschaften als innovative Lebensformen? Industrielle landwirtschaftliche Produktion konnte im Nachkriegseuropa einen grossen Teil der Nachfrage nach günstigen Lebensmitteln decken. Ihre Kehrseiten werden aber immer offensichtlicher. Agrarunternehmen werden unter anderem für ethisch untragbare Zustände in der Tierhaltung, unverantwortlichen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, Ausbeutung landwirtschaftlicher Arbeitskräfte und die unzureichende Versorgung von illiquiden Bevölkerungsgruppen kritisiert. In der Schweiz haben in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Initiativen begonnen, mit alternativen Formen der Lebensmittelherstellung und Verbreitung zu experimentieren. Die Ursache für die Kehrseiten konventioneller Landwirtschaft verorten sie in der unverantwortlichen Profitmaximierung von Agrarbetrieben und der Entfremdung der LebensmittelkonsumentInnen von agrarischer Produktion. Um demgegenüber den Gemeinnutzen der eigenen Produktion sicherzustellen, binden sie ProduzentInnen und KonsumentInnen in die landwirtschaftliche Arbeit, Entscheidungsfindungsprozesse und die Unternehmenskontrolle ein. Das Dissertationsprojekt untersucht demokratisch organisierte Initiativen in der Deutschschweiz, die in selbstverwalteten landwirtschaftlichen Unternehmungen "unseren" Umgang mit Nahrungsmitteln hinterfragen und zu einer nachhaltigeren Versorgung mit Lebensmitteln beitragen wollen. Die Forschungsarbeit konzentriert sich dabei weniger auf Subsistenzwirtschaft betreibende Kommunen als vielmehr auf Gruppen, die auch Personen versorgen wollen, die sich nicht hauptsächlich der gemeinschaftlichen landwirtschaftlichen Arbeit widmen. Insbesondere interessiert die Frage, inwiefern sich aktuelle Initiativen in ihren Intentionen und ihrer inneren Verfassung von traditionellen Agrargenossenschaften unterscheiden. Als Genossenschaft sind auch die Fenaco-Gruppe, der bedeutendste Arbeitgeber in der Schweizer Landwirtschaft, und die Lebensmitteleinzelhandelskette Coop formal demokratisch organisiert. Gerade die traditionellen Agrargenossenschaften aber sind seit ihrer Gründung im späten 19. Jahrhundert eng mit der Entwicklung der in Kritik geratenen industriellen Landwirtschaft in der Schweiz verknüpft. Unter welchen exo- und endogenen Bedingungen könnten die aktuellen Initiativen eine vergleichbar spektakuläre Geschichte schreiben?