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"Was, wenn nicht Ethnien?" Eine netzwerkanalytische Perspektive auf die Vielfalt spätantiker und frühmittelalterlicher Bestattungen zwischen Bodensee, Hochrhein und Genfersee.

Research Project
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01.09.2016
 - 31.07.2019

Für den Raum der heutigen Schweiz sind aus frühmittelalterlichen Schriftquellen mehrere Bevölkerungsgruppen überliefert. In der archäologischen Forschung wurde immer wieder versucht, die Bestattungen auf frühmittelalterlichen Gräberfeldern diesen überlieferten Ethnien zuzuordnen. Da die Bestattungen im Untersuchungsraum grosse regionale Unterschiede aufweisen, schien die ethnische Zuordnung so selbstevident, dass kaum alternative Deutungen in Erwägung gezogen wurden. Die Deutung von Objekten oder soziokulturellen Praktiken als ethnische Marker stellt sich aber als hochproblematisch heraus und wird immer wieder kritisiert. Ziel der Dissertation ist es daher, neue und alternative Interpretationsansätze für die regionalen Unterschiede der frühmittelalterlichen Bestattungen zu erarbeiten. Dafür müssen erstens an einer Anzahl geeigneter Gräberfelder empirisch die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Bestattungen genauer untersucht werden, wobei neben der Grabausstattung auch Grabbau und Behandlung des Leichnams berücksichtigt werden. Ausgehend von meiner Hypothese, dass auch lokale spätantike Traditionen die regionale Ausformung frühmittelalterlicher Bestattungen beeinflussten, werden spätantike Gräber in der empirischen Untersuchung berücksichtigt. Die aufgenommenen Merkmale werden mithilfe von Anwendungen aus der Netzwerkanalyse untersucht. Es wird sich zeigen, ob Muster erkennbar sind, wie diese aussehen und welche regionalen oder zeitlichen Schwerpunkte es gab. Die Theoriebildung stellt einen zweiten wesentlichen Teil meiner Dissertation dar und soll gleichzeitig mit der empirischen Untersuchung erfolgen, um eine fortlaufende wechselseitige Anpassung vornehmen zu können. Bereits vorhandene theoretische Ansätze müssen evaluiert und an Fragestellung und Datengrundlage angepasst werden. Des Weiteren sind alternative theoretische Ansätze zur Interpretation der räumlichen und zeitlichen Standardisierungen materieller Kultur und der Normierung soziokultureller Praktiken zu erarbeiten, die an der empirischen Datengrundlage validiert werden sollen. Im Ergebnis wird sich eine grundlegend neue Perspektive auf die frühmittelalterliche Archäologie der Schweiz ergeben: statt einen einseitig ethnischen Blickwinkel einzunehmen, wird die Komplexität kulturhistorischer Entwicklung in verschiedenen räumlichen und sozialen Bezügen betont.

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Amanda Gabriel

Principal Investigator