Biosozialität unter Lebensgefahr. Die schweizerische Schwulenbewegung im Zeitalter von HIV⁄Aids (1980-2000)
PhD Project
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01.01.2017
- 31.12.2024
Der Übergang vom Old Public Health zum New Public Health markiert einen fundamentalen Umbruch im öffentlichen Gesundheitswesen des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Dieser Umbruch ist Teil einer umfassenden Transformation moderner Sozialstaatlichkeit zu stärker ökonomisierten, selbstregulier ten Systemen, in denen den Subjekten eine erhöhte präventive Verantwortung zugewiesen wird. Das geplante Forschungsvorhaben geht am Beispiel der schweizerischen Schwulenbewegung im Kontext von HIV/Aids der Frage nach, wie sich diese sozialstaatlichen Transformation auf die Neuen Sozialen Bewegungen ausgewirkt haben. Die noch kaum bekannten gesellschaftlichen Implikationen des New Public Health werden mittels akteurs- und subjektzentrierten Ansätzen untersucht. Dabei wird insbe sondere das Konzept der "Biosozialität" (Paul Rabinow) genutzt, um die biomedizinisch geprägten Vergesellschaftungs- und Subjektivierungsformen einer gay community nachzuzeichnen, die sich bis Ende der 1990er Jahre lebensbedrohlichen Risiken ausgesetzt sah. Das Fallbeispiel der Schwulenbewegung im Kontext von HIV/Aids ist deshalb relevant, weil sich auf diesem Feld Deutungen von Betroffenen, medizinische Forschung und Gesundheitspolitik dyna misch entwickelten und verschränkten. Nach einer dramatischen Anfangsphase, in der mit einem ex ponentiellen Anstieg der Todesfälle gerechnet wurde und die Betroffenen vor allem Trauerarbeit lei steten, kamen Mitte der 1980er Jahre neuer präventive Strategien auf, was insbesondere zu einer ver stärkten Zusammenarbeit von sozialen Bewegungen und staatlichen Organisationen führte. Zur glei chen Zeit setzte sich die These einer viralen Ursache durch und es setzten umfangreiche Forschungs tätigkeiten auf diesem Gebiet ein. Ende der 1990er Jahre schiesslich wurde aus der tödlichen Diagnose zunehmend eine chronische Krankheit, mit vielfältigen Auswirkungen auf den Alltag und das Selbst verständnis der Betroffenen. Das Fallbeispiel eröffnet damit einen Blick auf die sozialen Auswirkungen von biomedizinischen Wissenspraktiken und und gesundheitspolitischen Ansätzen sowie auf die Mitwirkung der Betroffenen an diesen.