Antragsteller des Sinergia in Basel: Nicola Gess, Hugues Marchal; in Zürich: Mireille Schnyder, Johannes Bartuschat Assoziierte Mitglieder: Natascha Adamovsky (Freiburg i. Br.), Tristan Weddigen (Zürich) Doktoranden/Postdoktoranden in Basel: Micha Huff, Thibaud Martinetti; in Zürich: Andrea Elmer, Selena Rhinisberger, Constanze Geisthardt Konzeption und Leitung: Mireille Schnyder, Nicola Gess; Leading House: Uni Zürich Staunen, als eine "kognitive Leidenschaft" (Daston), wird sowohl im erkenntnistheoretischen wie rhetorisch-philosophischen Diskurs seit der Antike thematisiert und reflektiert. Ausgehend von der These, dass sich im Staunen auf einzigartige Weise epistemologischer und poetologischer Diskurs überschneiden und verdichten, setzt sich die Sinergia-Gruppe zum Ziel, die Relevanz des Staunens für Poetik und Ästhetik gerade aufgrund dieser Vernetzung und dichten Überlagerung von Episteme und Poiesis, von Wissens- und Dichtungsdiskurs sowohl in historischer wie systematischer Perspektive herauszuarbeiten. Der deutsche Begriff des Staunens dient dabei in heuristischer Weise der Thematisierung dieses nicht einfach zu fassenden Phänomens, das sich sowohl in der historischen Perspektive wie auch zwischen den einzelnen Sprachen begrifflich und semantisch immer wieder anders konstituiert. Durch die im Sinergia zusammengeschlossenen Teilprojekte wird gewährleistet, dass einerseits die diskursiven und semantischen Verschiebungen und Übertragungen in der historischen Perspektive in den Blick kommen, anderseits die semantischen (und lexikalischen) Veränderungen und Unterschiede zwischen den einzelnen Sprachen reflektiert werden. Eine Systematik von Frageperspektiven und theoretisch fokussierten Problemstellungen ermöglicht in der Zusammenarbeit der Teilprojekte die Herausarbeitung grundlegender Beobachtungen bezüglich einer Poetik und Ästhetik des Staunens (1. Transgression und Arretierung / 2. Artifizialität / 3. Visualität). Gleichzeitig werden mit den vier Teilprojekten für die Fragestellung entscheidende Felder bearbeitet: Die Anfänge einer sich in der Volkssprache konstituierenden Literatur im Mittelalter (TP A und B), die Theoretisierung des Staunens in der Renaissancepoetik (TP B), die (deutsche) Literatur der Frühen Neuzeit im Kontext sich verändernder Wissenskonstellationen (TP A), die deutsche Literatur und Poetik des Wunderbaren im 17./18. Jh. (TP C), die französische "poésie scientifique" des 19. Jh.s sowie die enge Vernetzung von poetologischem und wissenschaftlichem Staunensdiskurs (TP C und D) und der Versuch einer Reinszenierung des Staunens in der Moderne (TP D). Ein kunstwissenschaftliches und ein medienwissenschaftliches sowie wissen(schaft)sgeschichtliches Kooperationsprojekt (Weddigen, Adamowsky; Kooperations-Skizzen im Anhang) sowie die Vernetzung mit den NFS "Eikones" und "Mediality" bringen für das Thema wichtige interdisziplinäre Kompetenz in die Diskussion des Sinergia. Die Reflexion moderner Diskurstraditionen auf dem Hintergrund und in Spannung zu historischen Vorläufern schärft den Blick für kulturelle Semantisierungsmechanismen, diskursive Verschiebungen und Wertsetzungen. Anderseits schärft die Beobachtung diskursiv oder theoretisch ausdifferenzierter Reflexionen bezüglich des Staunens den Blick für vormoderne Phänomene einer nicht theoretisierten Poetik und Ästhetik. Die intensive Diskussion innerhalb des Sinergia ist so auch Mittel, Beobachtungen innerhalb der Teilprojekte in ihrer kulturellen Relevanz fassen zu können. Die enge Vernetzung der Teilprojekte über regelmässige gemeinsame Workshops zu systematischen Fragen, regelmässige, die entstehenden Arbeiten eng begleitende Kolloquien und drei gemeinsam veranstaltete internationale Tagungen garantieren und ermöglichen die Arbeit der Einzelprojekte in dem für die Fragestellung notwendigen grösseren, historischen, interphilologischen und interdisziplinären Rahmen. Das Sinergia verspricht mit seiner Forschung nicht nur einen entscheidenden Beitrag von Seiten der Literaturwissenschaft zu den in letzter Zeit aktuellen Debatten zu ästhetischen Emotionen und zum Verhältnis von Wissen und Literatur, sondern auch zu der Frage nach dem Selbstverständnis von Literatur in einer Wissensgesellschaft.