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Armenpolitik in Basel: Wahrnehmungen, Erfahrungen und gesellschaftlicher Umgang mit Armen und Armut in der städtischen Gesellschaft vom späten Mittelalter bis heute (Buchprojekt)

Research Project
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01.05.2010
 - 31.10.2011

«Armut» ist eine relative, in jeweilige wirtschaftliche und soziale, politische und kulturelle Zusammenhänge eingebettete Erscheinung. Die Auseinandersetzung mit Armutsproblemen sensibilisiert insofern für ein sozialanthropologisches Dauerphänomen, für gesellschaftliche Ordnungsmodelle und soziale Grundwerte im historischen Wandel. Das Buch richtet sich mit dieser Perspektive nicht nur an ein Fachpublikum, sondern auch an eine historisch und politisch interessierte Öffentlichkeit. Das Buch soll Kontinuitäten und Zäsuren in den Wahrnehmungen und Erfahrungen von Armen sowie charakteristische Formen im gesellschaftlichen Umgang mit Armen und in der Bekämpfung von Armut vorstellen. In der langen Dauer seit dem späten Mittelalter interessieren dabei folgende, die üblichen Epochen übergreifende Leitfragen: - Ursachen und allgemeine Kontexte der Armut in der Knappheits- bzw. Wachstumsgesellschaft; - symbolische Formen der Bezeichnung und Wertung der Armut; - Besonderheiten der Armen im Hinblick auf rechtlichen und sozialen Status, Alter und Geschlecht; - städtische Armenpolitik im Zusammenhang der Stadt-Land-Beziehungen und der Migrationen; - normative Zielsetzungen und Gegenstandsbereiche der Armenpolitik; - soziale Akteure der Armenpolitik; - Formen der Unterstützung und Selbsthilfe von Armen; - Leistungen der Armenpolitik und deren Grenzen; - Selbstbilder und Erfahrungen von Armen. Diese analytischen Leitfragen machen aufmerksam auf lange Kontinuitäten in der Wahrnehmung von Armut und im Umgang mit Armen, die sich im historischen Wandel der Armenpolitik durchaus reproduzieren können. Solche Kontinuitäten zeigen sich z.B. in der Unterscheidung zwischen «würdigen» und «selbstverschuldeten» Armen; in den Herausforderungen der Migration für die Armenpolitik; im Verhältnis von Rechten und Pflichten der unterstützten Armen; in geschlechterspezifischen Aspekten der Betroffenheit von Armut und im Engagement der Armutsbekämpfung oder - für das «soziale Basel» besonders charakteristisch - in den Traditionen der «freiwilligen», zivilgesellschaftlichen Trägern der Armenpolitik und deren Verflechtungen mit der obrigkeitlichen bzw. kantonal-staatlichen Politik. Die Aufklärung über langfristige Gegebenheiten im «public-private-welfare-mix» ist ein Desiderat der Sozialpolitikforschung. Die genannten Leitfragen sollen umgesetzt und eingebettet werden in Essays mit Synthesecharakter, die die üblichen Epochen als historische Konstellationen profilieren und dabei in besonderer Weise Innovationen und langfristige Weichenstellungen in der Armenpolitik thematisieren. Als solche Konstellationen können gelten: - die Formierung einer kirchlich, reformatorisch geprägten stadtbürgerlichen Armenpolitik im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit; - die Verknüpfung von Arbeit und Armut sowie die Pädagogisierung im Umgang mit Armen und in der Armutsbekämpfung seit der Aufklärung im 18. Jahrhundert; - die rechtliche, staatliche Regulierung der überkommenen Formen der Armenunterstützung und neue Formen der Selbsthilfe im Prozess der inneren Staatsbildung im 19. Jahrhundert; - die partielle Transformation der Armenpolitik in Sozialpolitik, der neue Stellenwert der «Fürsorge» im Sozialstaat mit der erst jetzt sich durchsetzenden Anerkennung der Armen als Staatsbürger und den Tendenzen zur beruflichen Professionalisierung der ehemals ehrenamtlichen «Armenpfleger» seit dem frühen 20. Jahrhundert; - die städtische und national/supranational bestimmte Armutsbekämpfung im Zeichen der Grundrechts- und Menschenrechtspolitik seit dem späten 20. Jahrhundert und in der Gegenwart. Diese Überblicksartikel bilden gewissermassen die Hauptpfeiler des geplanten Buches. Ihnen zur Seite stehen kürzere Beiträge zu besonderen Themen, die Aspekte der Leitfragen an einzelnen Beispielen veranschaulichen und vertiefen.

Members (2)

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Josef Mooser

Principal Investigator
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Simon Wenger

Project Member