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Dr. Michelle Engeler

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AufWach(s)en im PostMigrantischen Basel

Research Project  | 3 Project Members

Postmigrantische Stadt

Das Leben in Basel ist geprägt durch die Spuren und Erfahrungen mehrerer Generationen von Zuwanderung. Wie in anderen urbanen Räumen werden Grundzüge der postmigrantischen Gesellschaft hier deutlich greifbar: Migration ist sowohl selbstverständlicher Bestandteil des städtischen Lebens und äussert sich unspektakulär in vielfältigen Formen des Zusammenlebens. Zugleich wird Migration unablässig als Problem thematisiert, in der Politik ebenso wie am Arbeitsplatz, in der Schule sowie im Quartier. Und die postmigrantische Stadt fordert gerade junge Menschen auf, sich mit vielfältigen Identitäten auseinanderzusetzen und sich durch Interaktions- und Aushandlungsprozesse ihre je eigenen persönlichen und sozialen Identitäten anzueignen.

Zudem ist die postmigrantische Stadt nicht nur durch Vielfalt und Differenz geprägt, sondern auch durch sozioökonomische Ungleichheiten. Deutlich zeigt sich dies in Daten zur Vermögens- und Einkommensverteilung, aber auch zu schulischen Laufbahnen oder mit Blick auf den Bezug von Sozialleistungen. Die sozialen Ungleichheiten weisen markante sozialräumliche Ausprägungen auf: Die Wohnviertel unterscheiden sich wesentlich in Bezug auf die einschlägigen Indikatoren (von der Sozialhilfequote über die Wohn- und Grünflächen bis zur Gymnasialquote). Entsprechend sollte die Stadt Basel nicht als homogener Raum betrachtet werden, sondern als ein Neben- und Miteinander unterschiedlicher Lebens- und Arbeitswelten.

 

Quartier und Schule

Das Quartier und die Schule stellen für Kinder und Jugendliche die ersten Sozialräume dar, die sie mit zunehmender Autonomie ausserhalb der Familie (oder des Haushalts, des Heims, etc.) erkunden. Es handelt sich für sie um Zwischen- und Übergangsräume, in denen sie Identitäten inszenieren und ausprobieren sowie Erfahrungen mit individueller und kollektiver Raumaneignung sammeln.

Quartier und Schule stehen zudem aus Sicht der Stadtforschung und Stadtentwicklung in einer engen Wechselbeziehung. Dies gilt in Basel insbesondere für die Primarschulen, bei denen es sich um Quartierschulen im eigentlichen Sinne des Wortes handelt. Die allermeisten Kinder besuchen eine Primarschule im Quartier (es sei denn, sie gehen auf eine Privatschule). Zudem sind die Schulhäuser (inkl. umliegende Schulhöfe, Spielplätze etc.) meistens wichtige Quartiertreffpunkte, wo Kinder und Jugendliche auch Freizeit verbringen sowie Eltern und Familien zu Veranstaltungen kommen etc. Die Verbindungen zwischen Schule und Quartier lockern sich zwar mit fortschreitender Schullaufbahn: die Brückenangebote (mit denen sich kein Quartier brüstet, sie werden eher versteckt gehalten), die Sekundar- und Berufsschulen sowie die Gymnasien weisen keinen direkten Quartierbezug auf. Aber es ist davon auszugehen, dass Quartieridentitäten die meisten Schüler:innen auch nach Abschluss der Primarschule prägen und begleiten.

Die Schule ist eine Instanz der sozialen Reproduktion, die Ordnung ins postmigrantische Mosaik des Quartiers bringt. Sie produziert sowohl gute als auch schlechte Schüler:innen; sie diagnostiziert Förderbedarfe, ringt mit Fremdsprachigkeit und problematisiert Integrationsdefizite; sie leitet Selektionsprozesse ein und bereitet auf unterschiedliche Erwerbslaufbahnen vor; sie bringt Eltern dazu umzuziehen oder ihre Kinder in eine Privatschule zu schicken, kurzum: sie (re)produziert Ungleichheiten und bringt Problemgruppen oder «gefährdete» Jugendliche hervor.

Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass die Schule im Quartier für die Jugendlichen stets präsent ist – und umgekehrt. Allein auf Grund des faktischen Gewichts der Schule im Tagesablauf unter der Woche sowie ihrer Bedeutung für die Lebensentwürfe der Kinder und Jugendlichen nehmen diese auch in der Freizeit, in Alltagsinteraktionen etc. immer wieder Bezug auf die Schule und sind sich der Tatsache bewusst, dass ihre Identität und ihr gesellschaftliches Schicksal wesentlich durch Schulbesuch und Schulerfolg geprägt sind. Umgekehrt schlagen sich Eigenschaften des Quartiers (Sozialstruktur, räumliche Struktur, kulturelle Vielfalt, Arealentwicklungen etc.) unweigerlich im Schulalltag nieder - vom Schulweg über die Pausendynamiken bis zur Sprachenvielfalt und den Förderangeboten (inkl. Zusatzmitteln, die Schulen in benachbarten Quartieren erhalten: Basler Sozialindex) und hinterlassen Spuren in der Schulstatistik.

Unter bestimmten Bedingungen kann das Aufwachsen zum Aufwachen werden: Dann nämlich, wenn Jugendliche sich gesellschaftlicher Strukturen oder politischer Programmatiken bewusstwerden, die sie benachteiligen und ihre Möglichkeiten einschränken. Es ist diesbezüglich davon auszugehen, dass der organisierte politische Protest nur eine Form des Widerstands ist (und nicht unbedingt die am meisten verbreitete Form), die aufgeweckte Jugendliche ergreifen können. Mindestens so populär dürften ironische und parodistische Praktiken sein oder die ostentative Hinwendung zu von der (dominanten) Schulkultur abgewandten Lebensentwürfen (von eigensinniger Aneignung anderer Religionen und Kulturen bis zur Orientierung auf Sport- oder Social Media Laufbahnen). Unsere Forschung legt das Augenmerk auf Eigensinnigkeit und Agency junger Menschen und betrachtet sie nie ausschliesslich als Opfer gesellschaftlicher Verhältnisse.

 

Ethnografie und Statistik

Unser Projekt beruht auf der Verbindung zweier Forschungszugänge:

Die ethnografische Perspektive exploriert die Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen im Quartier und ggf. in der Stadt (Spiel- und Sportplätze, Orte zum Chillen und Rumhängen, Jugendtreffs, Schulareale, erste Ausgangslokale, verborgene und verbotene Orte, etc.). Der Fokus liegt auf Praktiken der Raumaneignung und Identitätsbildung. Die Blickrichtung geht vom Quartier in Richtung Schule: Wann, wie und warum kommt ausserhalb der Schulzeit die Schule wieder ins Spiel? Inwiefern ist die Schule im Quartier präsent?

Die statistische Perspektive legt den Fokus auf gesellschaftliche Strukturen der Ungleichheit und Differenz. Die Blickrichtung geht von der Schule in Richtung Quartier. Ausgangspunkt sind Bildungsstatistiken (insbesondere die Schulhausstatistik). Diese werden in Verbindung gesetzt mit weiteren Statistiken (insbesondere: Integrationsindikatoren und Statistik der Wohnviertel). Auf diese Weise können Erkenntnisse gewonnen werden zur Frage, inwiefern das Quartier in der Schule präsent ist.

Keine der beiden Forschungsperspektiven erhält ein erkenntnistheoretisches Primat. Beide sollen sich bereichern und gegenseitig hinterfragen und überprüfen.

 

Patchwork Ethnography und Citizen Science

Wir verfolgen einen kritischen, realistischen und pragmatischen Ansatz, der die kanonischen Oppositionen der traditionellen andro- und eurozentrischen Forschungspraxis hinterfragt.

Patchwork Ethnography: Die Forschung ist nicht strikt getrennt vom privaten Alltag, das Feld liegt direkt vor der Haustüre. Ein längerer Forschungsaufenthalt ist weder möglich noch erforderlich, um das postmigrantische Aufwachsen in Basel zu untersuchen. Wir 3 wohnen in der Stadt und haben Kinder, die hier aufwachsen. Wir setzen bei unseren Alltagsbeobachtungen an und nutzen diese als Anhaltspunkte für die Forschung. Wir laden Mitarbeiter:innen und Studierenden ein, dasselbe zu tun.

Citizen Science: Unsere Forschung findet nicht im Elfenbeinturm statt, sondern in Kooperation mit unterschiedlichen Akteur:innen. Wir nehmen Kinder und Jugendliche sowie ihre Familien und Bezugspersonen als Expert:innen ihrer Alltags- und/oder Arbeitswelt ernst. Wir suchen die Zusammenarbeit insbesondere mit Schlüsselpersonen aus Quartier- und Freizeitorganisationen; Lehrpersonen aus der Primarschule (inkl. Kindergarten, Kitas, Spielgruppen etc.); Mitarbeitende des Statistischen Amtes und städtischer Verwaltungsabteilungen. Wir spielen Ergebnisse unserer Forschung zurück zum Beispiel durch Veranstaltungen im Quartier, Workshops in der Schule, Interviews in Zeitungen oder Beiträge auf Online-Plattformen, Veröffentlichungen für ein breites Publikum etc.

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MIGCHOICE: Ethnographic research on migration decision making in Guinea

Research Project  | 1 Project Members

Funded by the International Organization for Migration (IOM),the research project "MIGCHOICE: Ethnographic research on migration decision making in Guinea" will investigate the connection between development interventions and migration in five research sites in Guinea. The project forms part of MIGCHOICE: West Africa, which is being led by the University of Birmingham and which includes case studies in and from three countries in West Africa: Senegal, The Gambia and Guinea. The project will explore how interventions in areas such as agriculture, youth employment and training influence individual and household decisions around migration. It will use a novel combination of ethnography, discourse analysis and computer modelling, and involves co-creation of research to influence development practice. The research project will be delivered by a consortium of universities in West Africa, the UK and other European countries and includes ethnographic research, the development of an agent based model, and research on the history and development of policy on migration.

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Longing for the Future - Practices and Imaginations of Young Graduates

Research Project  | 2 Project Members

In times of economic uncertainties, precarious career trajectories and widely publicised youth protests, the present project 'Longing for the Future' asks how those who are considered to be "society's future" - hence today's youths - work on and imagine their very own future lives. The project draws on scientific results originating from two different studies, both funded by the Swiss National Science Foundation. Findings from ' Construire son Avenir ', a socio-anthropological project located at the Centre for African Studies Basel and exploring career trajectories and self-conceptions of young graduates from Mali and Burkina Faso by a biographic approach, contribute the principal source of data. It will be complemented with results generated during the longitudinal survey TREE at the seminar of Sociology in Basel that follows transition processes of youth to adulthood in Switzerland. Hence, the project 'Longing for the Future' couples insights from Mali, Burkina Faso and Switzerland and argues that young people across the world share similar hopes, ideas, expectations and face comparable challenges - although living in quite different realities and localities. For most of these young men and women passages from youth to adulthood, often related to passages from educational to working worlds, have become longer and are accompanied by increasing uncertainties. Frequently, prospects for steady jobs are rare and young graduates cannot be sure to find adequate formal employment. Moreover, social relations very often count more than diplomas, and the latter constitute only one of many possible stepping-stones towards success and respect. However, young people (everywhere in the world) do not simply wait for the future yet to come but rather develop new ways and tactics to realize their very own biographical projects. The present project aims at making these practices, imaginations and dreams for the future accessible to a wider public through three communication spaces. The first one refers to a virtual space . It speaks the global language of the World Wide Web and consists of a website with blog, news, video and information sections. This space represents an interactive platform that not only transmits research insights - e.g. the life trajectories of young graduates from West Africa and Switzerland - but turns into a vibrant communication tool articulating (young) people's lifeworlds, future prospects and everyday activities. The second communication space represents a visual space , with a photo exhibition at its heart. It transforms research results - often communicated only by written text - into an artistic, visual experience. Hence, through the expertise and love of experimentation of photo students from Mali and Switzerland future life plans of young graduates will be captured. They are taken as a basis to reach young people but also a wider public interested in photography, society's future and the globality of both youthful hopes and fears. The third space, finally, is a performative space containing a theatre production, which allows the public to get bodily and sensory immersed in culturally different lifeworlds. Speaking a playful, innovative language it presents a scenic simulation of decision-making processes and asks for an actively engaged audience. Finally, the communication project 'Longing for the Future' is located at the interface between science and art and aims at stimulating a dialogue with a wider, mostly young public beyond national borders. In this sense it lays a foundation to experience globally interlinked young people by making multiple forms of peer-to-peer as well as intergenerational communication possible. Moreover, it strengthens a feeling of belonging and global awareness within connected lifeworlds across societies. For that purpose, the project team includes not only academics but also connects practitioners and artists from different backgrounds. By including experts from the realms of social science, web design, communication, museum, photography and theatre, the entire team represents a solid foundation for this creative and innovative communication project. This project is supported by the Swiss National Science Foundation under the AGORA programme and the DOMS Foundation of Basel.

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Construire son avenir: Selbstverständnis und Laufbahnpraktiken von Jungdiplomierten in Burkina Faso und Mali

Research Project  | 6 Project Members

Im Jahr 2009 waren in Burkina Faso gut 35ꞌ000 Studierende und in Mali gut 77ꞌ000 Studierende an den Universitäten immatrikuliert. Die Jungdiplomierten machen prozentual zwar nur einen Bruchteil der Bevölkerung aus, doch der Bildungstitel birgt die Hoffnung des sozialen Aufstiegs und damit Teil der Elite des Landes werden zu können. Mit steigender Zahl der Absolventen finden aber nur wenige von ihnen eine ihrem Diplom entsprechende Anstellung. Die ökonomische Krise der 1980er Jahre und die damit verbundenen Strukturanpassungsprogramme markierten den Anfang der nach unten gerichteten sozialen Mobilität, die seither anhält: Persönliche Beziehungen gelten mehr als Diplome. Das Angebot an Jungdiplomierten ist höher als die Nachfrage - trotz aller Arbeitsmöglichkeiten im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. Im Zentrum unserer Studie stehen die lebensweltlichen Erfahrungen von Diplomierten und ihre Praktiken. Praktiken und Selbstverständnis sind eng aufeinander bezogen: Das Selbstverständnis ist durch die familiäre, politische und gesellschaftliche Herkunft geprägt und prägt seinerseits die Handlungsmöglichkeiten. Das Projekt geht der Frage nach, wie die künftige Bildungselite von Burkina Faso und Mali unter den aktuellen Bedingungen an Ort mit Unsicherheiten umgeht. Dabei ist der Genderaspekt von besonderem Interesse, sind doch Frauen und Männer Ungewissheiten unterschiedlich ausgesetzt und dabei unterschiedlich handlungsfähig. Mit dem Fokus auf Selbstverständnis und Laufbahnpraktiken von Jungdiplomierten leistet das Projekt einen wichtigen Beitrag im Rahmen der Risikoforschung zu Umgang mit Ungewissheiten und der Gestaltung der Zukunft im heutigen Afrika. Forschungsziel ist es auszuloten, welche Handlungskontexte sich Jungdiplomierte unter den Bedingungen der Unsicherheit schaffen und wie diese Kontexte Vergesellschaftungsprozesse in den jeweiligen Ländern beeinflussen. Erkenntnisse dieser Art sind von gesellschaftspolitischer Relevanz, weil sie der gängigen medialen Wahrnehmung widersprechen, die eine Jugend ohne Zukunft oftmals mit Protest, Gewalt und illegaler Migration in Zusammenhang bringt. Erste qualitative Gespräche werden mit Jungdiplomierten mindestens ein halbes Jahr nach ihrem Master geführt und im zweiten und dritten Jahr fortgesetzt (Longitudinalstudie). Folgende Hauptfragen sollen untersucht werden: Wie gestalten Jungdiplomierte ihre Laufbahnpraktiken angesichts der unsicheren Situation? Und welche Rolle spielt dabei ihr Selbstverständnis? Wie manifestieren sich die eingeschlagenen Laufbahnpraktiken der Jungdiplomierten räumlich-regional? Auf der Grundlage einer qualitativen Untersuchungsanlage sollen in vier Städten von Burkina Faso und Mali (Ouagadougou, Bobo-Dioulasso, Bamako, Sikasso) rund 250 Gespräche geführt werden. Der innovative Ansatz unseres Projektes besteht darin, dass soziale und räumliche Aspekte aufeinander bezogen werden. Die räumliche Dimension von Laufbahnpraktiken soll Aufschluss dazu geben, wie die Praktiken der Jungdiplomierten und die dadurch ausgelösten Vergesellschaftungsprozesse die Regionalentwicklung und die Urbanisierung beeinflussen. Die Forschung ist interdisziplinär angelegt (Ethnologie, Soziologie, Wirtschaftsgeographie) und kann auf mehrjähriger Forschungserfahrung in den beiden Ländern aufbauen.